Historische Gärten: Vereinigung der Landesdenkmalpfleger der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.) ; Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.) (Berlin 2003)

Eine Standortbestimmung der deutschen Gartendenkmalpflege nach jahrzehntelangen Erfahrungen in deutschen Ländern unter teilweise unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen verspricht interessant zu sein und zum Selbstverständnis der Disziplin beitragen zu können. Sie wäre, soweit grundsätzliche Fragen der Methodik zur Sprache kommen, ein Feld divergierender Meinungen. Da auch Gartendenkmalpflege von Menschen gemacht wird, ist man geneigt zu sagen: Wieviel Denkmalpfleger, soviel Meinungen. Die am meisten diskutierte Grundsatzfrage ist: Darf man rekonstruieren? Weiter könnte man diskutieren: Ist die Zulässigkeit von Rekonstruktion von der Größe des Anteils des Verlorenen am Gesamtwerk abhängig? Ist sie je nach Material zu differenzieren? Gelten gleiche Grundsätze für Brunnenbecken, Wegeaufbauten, Alleen und Blumenbeete? Die Zahl der ungeklärten Fragen ist groß.

Klaus v. Krosigk hatte sich vorgenommen, im Rahmen einer von der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger 2000 in Leipzig veranstalteten Tagung, eine Standortbestimmung zu wagen. Aus verschiedenen Bundesländern sowie aus Österreich und aus der Schweiz wurden Kollegen aufgefordert, über Aspekte ihrer Arbeit zu berichten und Material zu einer nach deutschen Bundesländern gegliederten Fotoausstellung zu liefern. Die Referate sowie die Ausstellungsbeiträge wurden nun zu einem Buch verarbeitet.

Zwölf Referate, darunter vier aus Berlin, betreffen übergeordnete bzw. beispielhafte Themen, die zur Standortbestimmung beizutragen besonders geeignet sind. Drei folgende Referate betreffen die Anlagen am Tagungsort Leipzig. Diese insgesamt 15 Referate nehmen etwa die Hälfte des Buches in Anspruch. Die andere Hälfte des Buches ist aus den Stelltafeln der Ausstellung hervorgegangen.

Am Anfang der Referate gibt Adrian v. Buttlar einen allgemeinen Überblick über die wissenschaftliche Gartenforschung. Dabei beschränkt er sich auf eine Auswahl bekannter Bücher seit Walpole.

Klaus v. Krosigk berichtet über die Entwicklung der Gartendenkmalpflege als staatlicher Einrichtung in Deutschland.

Rainer Herzog schreibt über den Gärtnerberuf in zwei Teilen: einerseits trägt er neue Erkenntnisse zur Geschichte des Gärtnerberufs im Bayern des 17.-19. Jhs. vor, andererseits behandelt er die Anforderungen an die heutige Ausbildung von Gärtnern für historische Gärten.

Margita Meyer und Guido Hager führen ein Gespräch über unterschiedliche Ansätze im Umgang mit nicht mehr Vorhandenem in historischen Gärten. Was wohl als Streitgespräch konzipiert war, läuft auf prinzipielle Anerkennung von Hagers stringenter Ablehnung von Rekonstruktionen durch Meyer hinaus.

Joachim Jacobs berichtet über zwei Fälle von Hofgestaltung an Berliner Regierungsgebäuden, bei denen heutige Gartenarchitekten der vorhandenen Denkmalsubstanz neue Elemente hinzugefügt haben. Jacobs bringt seine Ablehnung dieser Zutaten zum Ausdruck, deren Verfasser er nicht namentlich nennt.

Bernd Modrow schildert Inhalte und Funktion von Parkpflegewerken, wobei er deutlich macht, dass er für die Rekonstruktion fehlender Teile ist.

Klaus Lingenauber stellt einige Wiederherstellungsmaßnahmen seiner Verwaltung im Berliner Stadtgrün vor.

Peter Jordan behandelt in gewohnt prägnanter Schärfe die Frage der Privatisierung von Pflegeleistungen in Gartendenkmälern. Er lehnt eine solche als den Gärten schädlich ab.

Stefanie Harig schildert in erfrischender Weise die Wiederherstellung ihres Villengartens unter Beteiligung der Berliner Gartendenkmalpflege. Sie wählt die Form eines Tagebuches, in dem ihre schrittweise Anerkennung der zunächst skeptisch beurteilten Maßnahmen deutlich wird.

Géza Hajós befasst sich mit den Problemen, die die Aufstellung einer Denkmalkategorie Kulturlandschaft und die instrumentale Umsetzung ihres Schutzes aufwerfen. Hierbei stellt er ein Kulturlandschaftspflegewerk für die Wachau vor.

Jürgen Jäger behandelt Probleme der Nutzung historischer Gärten für Veranstaltungen am Beispiel Weimars.

Rainer Schomann bespricht das Problem der Inanspruchnahme historischer Gärten als Bauland. Er stellt fest, dass der monetäre Wert von Bauland in der Gesellschaft heute mehr gilt als der ideelle Wert eines historischen Freiraums. Als Grund erkennt er mangelndes Interesse an Gärten, dem mit juristisch stichhaltigen Schutzbegründungen weniger als mit Bewusstseinswandel begegnet werden kann.

Im „Lokalteil“ gibt Inge Kunath einen Überblick über die Leipziger Gartendenkmalpflege seit 1992. Michael Rohde berichtet über Inhalte und Wirkungen eines Parkpflegewerks am Beispiel des Mariannenparks in Leipzig. Petra Friedrich schildert die Geschichte des Leipziger Promenadenringes seit 1770 und seiner Denkmalpflege. Kathrin Franz schreibt über Geschichte und Restaurierung des Leipziger Johannaparks.

Zum Ausstellungsteil haben zehn Bundesländer Beiträge zu verschiedenartige n Anlagen und Elementen beigesteuert. Jedes dieser Länder stellt einen anderen Anlagentyp vor. Im übrigen aber hatten offenbar alle Einlieferer in der Gestaltung der Beiträge freie Hand. Einige lieferten nur Bestandsfotos, andere auch historische Abbildungen und Pläne, einige Texte nur zur Geschichte oder zum Bestand, andere auch zur Denkmalpflege. Einige blieben kurz und allgemein, andere äußerten sich länger und detailliert, einige anonym, andere namentlich, oder die Beiträge entstanden „in Zusammenarbeit“. Sachsen und Leipzig sind in aller Ausführlichkeit vertreten, wobei es zu Wiederholungen aus den Vorträgen kommt. Nicht vertreten sind die Bundesländer Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die Farbabbildungen wurden auf diesen Teil konzentriert.

Die verschiedenartigen Beiträge des ersten Teils machen beispielhaft deutlich, was in der Vergangenheit Ansehnliches für die historischen Gärten erreicht wurde und was in Zukunft noch erreicht werden sollte. Sie zeigen aber auch, auf welch schwachen Füßen die Gartendenkmalpflege angesichts widerstreitender Interessen anderer Fachgruppen steht. Darüber hinaus werden ansatzweise unterschiedliche Herangehensweisen der einzelnen Gartendenkmalpfleger deutlich. Ein Austragen und Lösen der internen Konflikte unter den Gartendenkmalpfleger erfolgt auf Tagungen in der Regel nicht. Die Diskussion methodischer Fragen in der Öffentlichkeit wird eher vermieden. Ein Grund ist wohl darin zu sehen, dass ein Bild der Zerstrittenheit dem ohnehin schlechten Ansehen der Gartendenkmalpflege in weiten Teilen der Bevölkerung (siehe Schomann) schaden könnte. Es ist zu begrüßen, dass die Einladung auch leicht anders denkender Redner zu dieser Tagung überhaupt verschiedenen Meinungen Raum gab. Das Ergebnis ist noch keine klare Selbstdefinition der aktuellen Gartendenkmalpflege, sondern allenfalls ein „Versuch der Standortbestimmung,“ wie es im Titel der Tagung ehrlicher als im Buchtitel hieß.

Die drei Beiträge im Lokalteil sind wertvolle Bereicherungen der deutschen Gartengeschichte, die das durchaus wichtige Leipziger Stadtgrün bisher wenig zur Kenntnis nahm. Zur Standortbestimmung taugen sie weniger, sofern nicht die großzügige Zerstörung des Leipziger Ringgrüns als „besonders schlechtes Beispiel“ (Gerhard Glaser im Grußwort) gemeint ist.

Der Ausstellungsteil leidet inhaltlich unter dem Fehlen von sechs der 16 Bundesländer und vermag auch formal wegen seiner auffälligen Inhomogenität nicht zu befriedigen. Als positiv ist zu entnehmen, dass in Deutschland ein breites Spektrum historischer Grünanlagen von der Denkmalpflege anerkannt wird.

Durch die Herausgeberschaft erklärlich, aber für externe Leser schwer begreiflich ist, dass die gartendenkmalpflegerischen Arbeiten der großen Schlösserverwaltungen kaum oder gar nicht Gegenstand sind. Die entsprechenden Verwaltungen in Bayern, Thüringen und Hessen sind indirekt durch die Auswahl von Vortragenden berücksichtigt, die sich aber zu allgemeinen Themen äußern. Die Schlösserverwaltungen von Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg und Sachsen kommen überhaupt nicht vor, wenn man vom Abdruck einiger Fotos aus Großsedlitz absieht. Die Standortbestimmung ist demnach keine gesamtdeutsche, sondern eine selektive, die in der komplizierten Kompetenzaufteilung in der Verwaltung begründet ist. („Erstaunlich, wie viele Ämter es gibt.“ Stefanie Harig, S. 59) Die angesprochenen Probleme können jedoch als repräsentativ auch für die nicht vertretenen Einrichtungen gelten. So bietet das Buch, was von den Herausgebern zu erwarten ist: Eine Leistungsschau aus Sicht der Denkmalämter.

Clemens Alexander Wimmer

Historische Gärten : eine Standortbestimmung : Vereinigung der Landesdenkmalpfleger der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.)Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Berlin 2003. - 180 S. : Ill.