Le Rouge, Georges-Louis: Détail des nouveaux jardins à la mode. Réimpression de l'édition originale Paris 1775-1790 / Présentée par Iris Lauterbach (Nördlingen 2009)

Die Fachwelt wartet viele Jahre schon auf einen wohlfeilen Reprint von Le Rouges berühmtem Stichwerk zur Gartenkunst. Dieses Werk enthält in großem Umfang Gartenpläne und Gartenarchitekturen bekannter und auch weniger gut überlieferter europäischer Gartenkunstwerke der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das Abbildungswerk gehört eindeutig zur Standardliteratur der Gartengeschichte der Zeit vor 1800, bietet es doch eine ungeheure Fülle von Plänen und Gartengebäuden so verschiedener Anlagen wie z.B. Versailles, Marly, Bagatelle, Monceau, Ermonville, Chantilly, Boudour, Chiswick, Désert de Retz, Stowe, Vauxhall, Richmond, Claremont, West Wycombe, Wilton House, Hannover, Sanssouci, Würzburg, Schwetzingen, Kassel, Karlsruhe, Burgsteinfurt, Wien, Monrepos (Neuwied), Bayreuth, Laxenburg, aber auch eine Fülle von Ansichten chinesischer Kaisergärten und Musterbauten von Gartenfollies à la mode. Anders als die meisten Franzosen berücksichtige Le Rouge also auch verschiedene deutsche Gärten. Das wird wesentlich dadurch zu erklären sein, dass er in Hannover als Sohn eines Franzosen und einer Deutschen geboren wurde. Dazu bietet Le Rouge noch Ansichten von Gartenmöbeln, Gartenspielzeugen (Wippen, Karussells, Schaukeln), hydraulische Gartenmaschinen, Aufstellungen von Gartenbäumen und –pflanzen u.a.m.

Im Gegensatz zu den Pariser Ausgaben von 1978 (ab 1.000 Euro) und 2004 (im Holzkoffer aus marokkanischer Thuja, Gewicht 20 kg, Preis: 1.720 Euro) ist hier für das Stichwerk ein doppelseitigem Druck auf etwas leichterem Papier gewählt worden, zudem wurde das Format vereinheitlicht und geringfügig verkleinert. Damit ist nicht nur eine preiswerte, sondern auch ein handhabbare Edition vorgelegt worden, die mit ihrem französischen und deutschen Vorwort auch einen breiteren Käufer- und Benutzerkreis erreichen wird. Das von 1775 bis 1789 in 21 Lieferungen erschienene Werk der Jardins anglois-chinois umfasst 487 nummerierte Tafeln, ergänzt durch zusätzlich vier großformatigen Klapptafeln. Obwohl kaum eine fürstliche Bibliothek in Europa das Stichwerk des in Paris wirkenden Le Rouge nicht abonnierte, besitzen doch nur wenige Bibliotheken heute davon alle Einzellieferungen vollständig.(1) Für den Interessierten, der sich bei der Suche nach Originalausgaben der Stichserie auf die Recherche mittels der alten Kataloge angewiesen sah oder im Einzelfall auch noch sieht, ergab sich zusätzlich die Schwierigkeit, dass einzelne Lieferungen durch die z.T. unterschiedlichen Formate und abweichenden Titel, in denen sie erschienen sind, in den Bibliotheken unter verschiedenen Standorten mit abweichenden Signaturen einsortiert wurden.(2) Der Nachdruck des berühmten Kupferstichwerks wurde von Dr. Iris Lauterbach vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München besorgt, die seit 15 Jahren im gleichen Verlag unter dem Titel Architectura recreationis Reprints von Werken zur Garten-, Schloss- und Brunnenkunst herausgibt (z.B. Giovanni Battista Faldas Li Giardini di Roma (1683)). Sie ist zudem eine der besten Kennerinnen der französischen Gartenkunst. Als Vorlage ausgewählt wurde das Exemplar der Universitätsbibliothek Augsburg (aus dem Besitz der Fürsten Oettingen-Wallerstein), das sich durch seltene Vollständigkeit auszeichnet und auch noch die ursprünglichen Umschläge der Lieferungen enthält. Die Qualität der benutzten Vorlage ist, wie die Herausgeberin im Vorwort feststellt, sehr gut, sie besteht aus sehr frühen Drucken (Radierung und Kupferstich) nur wenig abgenutzter Platten (22).

Die Erscheinungsjahre sind meist nicht auf den Heften angegeben, konnten aber von der Herausgeberin aus dem Mercure de France nachgewiesen werden. Die dadurch nun mögliche Datierung der Gartenansichten ermöglicht der Forschung, nun präziser einzelne Ansichten und Gartenanlagen einzuordnen. Anders als in den Reprints Paris: Connaissance et Mémoire 2004 oder Paris: Jardin de Flore 1978, denen überdies auch der im Augsburger Exemplar beigegebene Plan von Meudon (Heft VIII) bzw. in letzterer Ausgabe Bettinis Description seines Gartenentwurfs (XII, 1) fehlt, zeichnet sich die vorliegende Ausgabe durch eine größtmögliche Vollständigkeit aus. Der Leser wird zwar aus der ersten Fußnote zum zweisprachig abgefassten Vorwort daran erinnert, dass die Herausgeberin das Werk eigentlich schon im Jahre 2000 herausbringen wollte, in diese Zeit reichen auch die Subskriptionsangebote zurück. Nun also fand das Werk doch schließlich den Weg in die Öffentlichkeit. Der Pariser Reprint von 2004 hat die vorliegende Ausgabe, die im Jahre 2000 schon druckfertig vorlag, überholt. Von der Vollständigkeit aber, wie gesagt, nicht. Wenn die Herausgeberin in der angezeigten Fußnote auf seit der Drucklegung erschienene Arbeiten zu Le Rouge nur verweisen kann und die dort gemachten Neuerkenntnisse zu Biographie Le Rouges und zum Druckwerk aus Gründen, die beim Verlag liegen, nicht nachträglich noch einarbeiten konnte, muss man das bedauern. Das Vorwort legt allerdings seinen eigenen Schwerpunkt auf die Entwicklung der französischen Gartenkunst als Ausgangspunkt für Le Rouges Kupferwerk und bringt seinerseits vielfältige neue Erkenntnisse insbesondere zu den Drucken der einzelnen Gartenpläne und Gartenansichten sowie dem Konzept der Serie selbst. Hier liegen die unbestreitbaren Stärken der Untersuchungen von Iris Lauterbach. Es lohnt sich aber, wie die Herausgeberin selbst empfiehlt, die verschiedenen neueren Publikationen mit dem Vorwort parallel zu lesen. Das umso mehr, als die Erhellung der Hintergründe von Le Rouges bzw. de la Fosses Biographie und Werk jahrelange detektivische Einzeluntersuchungen erfordert haben, die weit über engere gartenhistorische Erkenntnisinteressen hinausgehen. Jeder der Forscher, die sich auf die aufwendige Recherche begab, brachte eigene Puzzlesteine zur Charakteristik Le Rouges und seines Gesamtwerkes bei. Lauterbach hat selbst den biographischen Zusammenhang von Le Rouge mit dem in Hannover wirkenden Architekten Louis Rémy de la Fosse erkannt, der von Bernard Korzus anhand von ihm zugänglichem Archivmaterial verifiziert werden konnte. Erst in der Zusammenschau der Ergebnisse wird konturenschärfer die gesamte Zeit begreifbar, in der ein ausgebildeter Militärgeograf wie Le Rouge das Zeichnen und Stechen von Landkarten für bevorstehende Kriege in den Friedenszeiten durch das Erstellen und Verkaufen von Gartenplänen eintauschen musste, wollte er von seinen Kenntnissen und Fertigkeiten weiterhin seinen Lebensunterhalt bestreiten. Für den Zusammenhang von Kartografie, Militärwesen und Gartenkunst bietet Le Rouges Leben mancherlei interessante Anregungen.

Iris Lauterbach macht anhand einer genauen Analyse der Vorlagen verschiedener Kupferstiche deutlich, wie sehr sich Le Rouge am Publikumsgeschmack orientierte und seinen eigenen kommerziellen Erfolg zum Dreh- und Angelpunkt seiner Publikationspolitik machte. Sie kann zeigen, wie rigoros er aus Geschäftsgründen beim "Abkupfern" von vorgefundenen Ansichten vorging, ohne sich im Geringsten um die Rechte von Urhebern zu kümmern oder nach in erster Linie ästhetischen Kriterien auswählte. Er nahm, was er bekommen konnte und ließ es stechen und dort einfügen, wo gerade Platz war. Sie vermutet, wohl nicht zu unrecht, was seine Kennerschaft von Anlagen in Britannien anbelangt: "Le Rouge hat englische Landschaftsgärten möglicherweise gar nicht aus eigener Anschauung gekannt." (28) Le Rouge war besonders schnell und findig beim Auffinden und Kopieren von Vorlagen dritter. Um Platz zu sparen, druckte er die Vorlagen von William Chambers auch mal seitenverkehrt, verkleinerte oder halbierte sie. Die Gartenansicht des Neuen Palais von Sanssouci Potsdam landete aus Platzgründen sogar im Bassin des Gartens von Marly (VII, 4). Bei anderen Vorlagen verzichtete Le Rouge auf malerische Details des Landschaftshintergrundes und zusätzliche Ausschmückungen wie etwa Wolken. Nichtsdestotrotz boten Le Rouges Cahiers des Jardins Anglo-chinois den Architektur- und Gartenliebhabern eine große Fülle von modernen Motiven. Die Hefte wurden selbst von Königen und Fürsten nachweislich wie ein Musterkatalog genutzt. Sie waren in dieser Hinsicht Modemacher und ästhetische Trendsetter bis in höchste Kreise hinein und zwar in ganz Europa. Bei der Auswahl französischer Gärten verhielt er sich oftmals anders als bei englischen oder deutschen Gärten. Hier hat Le Rouge moderne Anlagen, wie Ermenonville oder Désert de Retz, selbst vermessen, manche sind nur durch sein Stichwerk überhaupt noch bekannt. Le Rouge konnte, wie Lauterbach zeigen kann, als Vorlagen für insgesamt 40 Tafeln in Heft XV und Heft XVI, die Bildfolgen aus dem kaiserlichen Sommerpalast Yuanming Yuan des für Sinologie begeisterten Graf Carl Fredrik Scheffer, vormaligen schwedischen Ministers am Pariser Hof und Förderers William Chambers, erlangen. Le Rouge vertritt mit seinen Heften die Auffassung, dass der Landschaftsgarten primär von der chinesischen Landschaftskunst abzuleiten sei. Durch seine z.B. willkürliche Zusammenstellung von Gartenfollies aus Stowe und Kew (II, 4) erzeugt er den Eindruck, als seien chinoise Gebäude in allen englischen Gärten prägendes Interieur. Er folgte in der Tendenz eindeutig William Chambers und machte dessen Deutung in Europa schnell populär und einflussreich, auch wenn es, auch aus Britannien, schon deutliche Stellungnahmen gegen diese Auffassung gab. Ihm war ganz offenbar daran gelegen, die französischen Varianten dieses Stils in den Blickpunkt zu rücken und so als Mainstream erscheinen zu lassen. Die Hochzeit dieser Gartenmode fiel mit dem Erscheinen von Le Rouges ersten Heften zeitlich genau zusammen. Sie verlor ihren Einfluss aber bald wieder und machte dem "klassischen" Landschaftsgarten Platz. Das Werk versteht sich, wie Lauterbach ausführt, als eine visuelle Ergänzung zu den damals aktuellen gartentheoretischen Texten und als in erster Linie kommerzielles Projekt, weniger als Beitrag zur Gartentheorie oder Kunst. Le Rouges Gartenwerk, das kann Iris Lauterbach mit ihrem Reprint zeigen, erreichte mit seiner ungeheuren Vielfalt von Motiven und Ansichten ein europäisches Publikum und machte dadurch - wie kaum ein anderer – die Gartenkunst zu einer gesamteuropäischen Angelegenheit. Am Ende ihrer gründlich recherchierten Einleitung geht sie auf den Einfluss und die Nachwirkung von Le Rouges Werk ein. Ein detailliertes Orts- und Personenregister sowie ein Sachregister erschließen den in guter Qualität gedruckten Reprint und machen ihn zu einem nützlichen, bezahlbaren und einigermaßen handlichen Forschungsinstrument. Dem Verlag und der Herausgeberin gebührt dafür großer Dank.

Michael Niedermeier

1) Vgl. dazu Bernard Korzus: Georges Louis Le Rouge. Ein deutsch-französischer Geograph des 18. Jahrhunderts. In: Ders.: Bagno – Neugotik – Le Rouge. Beiträge zur europäischen Gartenforschung, aus dem Nachlass von Bernard Korzus. Red. Michael Niedermeier in Zsa. mit Sybille Backmann und Elfriede Korzus. Mitteilungen der Pückler-Gesellschaft. 23. Heft – Neue Folge – 2008., S. 63-82, bes. S. 63. Vgl. auch insbes. den dort abgedruckten Anhang mit Korrespondenzen aus Archiven in Darmstadt, Leiden und Burgsteinfurt (S. 83-115).

2) In der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, in die die Gothaer Herzogliche Bibliothek integriert wurde, finden sich beispielsweise fast alle Hefte unter dem Ursprungstitel Detail de nouveaux jardins à la Mode unter der Signatur K II. fol., das Heft V Traité des Edifices, Meubles, Habits, Machines et Ustensiles de Chinois (...), das im Quartformat erschien, wurde unter Geo 4° p. 3451/3 eingeordnet.
Zu den dort aufgeführten Veröffentlichungen sind seither noch zwei von der Pückler-Gesellschaft herausgegeben Mitteilungshefte (Die Gärten von Ermenonville. Mitteilungen der Pückler-Gesellschaft. 22. Heft. - Neue Folge – 2007 (hier bes. B. Korzus: Le Rouge und Ermenonville, S. 13ff.) sowie das bereits in Anm. 1 angeführte 23. Heft - 2008) zu ergänzen.

Le Rouge, Georges-Louis: Détail des nouveaux jardins à la mode. Réimpression de l'édition originale Paris 1775-1790 / Présentée par Iris Lauterbach. - Nördlingen : Uhl, 2009. (Architectura recreationis, 6; Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München, 23) - 43 S., ca. 500 Tf. - ISBN 978-3-921503-99-7. 128,- Euro.