Lässig, Christine, Michel, Jürgen : Dem großen Gärtner auf der Spur. (Weimar 2004)

Pfarrgärten sind die grauen Eminenzen der Gartengeschichte. Pfarrer haben während ihres Studiums in den Universitätsstädten oft auch die dortigen Botanischen Gärten kennen gelernt und sich dabei mancherlei Kenntnisse angeeignet und Anregungen erhalten. So waren die Pfarrgärten meist recht artenreich, mussten sie doch nicht nur zur Ernährung der - seit der Reformation - meist recht vielköpfigen Pfarrerfamilie beitragen, sondern enthielten auch reichlich Zierpflanzen, unter anderem zur Ausschmückung der Kirche, und dienten darüber hinaus der Erholung und der Besinnung. Neben den Gärten von Ärzten und Apothekern in den Städten und denen von Grund- und Gutsherren auf  den Dörfern waren sie die wichtigsten Einfallstore für neue Arten und Sorten von Gewächsen. Viele Pfarrer waren passionierte Gartenliebhaber wie der „Blumenpastor“ Karl Much im brandenburgischen Löwenberg, und einige schrieben Bücher über Gartenpflanzen, so der mecklenburgische Pfarrer Johann Christian Ludwig Wredow (1773-1823), dessen 1818 erstmals erschienener Gartenfreund nach dem frühen Tod des Verfassers ab der 4. Auflage von dem Berliner Pfarrer Carl Helm herausgegeben wurde und noch viele weitere Auflagen erlebte.1837 erschien in Leipzig, um noch ein weiteres Beispiel zu nennen, das Buch seines österreichischen Amtskollegen Johann Theophil Zetter Ueber die perennierenden Gartengewächse und deren Cultur, das erste Standardwerk über Gartenstauden.

Leider ist jedoch über Gestaltung und Pflanzenbestand der Pfarrgärten selbst bisher nur wenig bekannt geworden. Der gedruckte Gartenkatalog des Pfarrers Johann Gottfried Olearius in Halle/Saale aus dem Jahre 1668 stellt eine große Ausnahme dar. Aus den Dichtungen der Pfarrer Johann Rist in Wedel bei Hamburg  und Friedrich Wilhelm August Schmidt in Werneuchen bei Berlin erfahren wir einige Einzelheiten über ihre Gärten und die darin gezogenen Pflanzen. Insgesamt aber waren Pfarrgärten bisher kaum Gegenstand gartenhistorischer Forschungen.

Zur Ausfüllung dieser Lücke beitragen will nunmehr das oben angezeigte Buch , in dem die Pfarrerstochter und nunmehrige Chefredakteurin der Evangelischen Wochenzeitung Glaube  und Heimat die meisten Texte (neben Dieter Holzapfel, Reinhard Herb und Werner Schuricht) verfasste und Jürgen Michel zahlreiche Fotos von Thüringer Pfarrgärten beisteuerte. Ein erster Teil behandelt die Gartengeschichte im Allgemeinen und die der Pfarrgärten im Besonderen, wobei die Texte von einschlägigen zeitgenössischen Zitaten und Gedichten aufgelockert werden. Inwieweit die Pfarrgärten mehr oder weniger direkte Nachfolger der Klostergärten waren, wie hier ausgeführt wird, sei dahingestellt und bedarf der weiteren Erörterung. Zu begrüßen ist, dass z. T. recht ausführlich auf solche Pfarrer eingegangen wird, die sich  neben ihren seelsorgerischen Amtspflichten mit Gartenbau, Obstzucht, Imkerei und Landwirtschaft befasst und darüber wegweisende Fachbücher geschrieben haben, wobei sich  die hier aufgeführten Beispiele sicherlich noch weiter ergänzen ließen. Zu S. 64 wäre anzumerken, dass der von Gottfried Benn beschriebene Pfarrgarten seines Vaters sich nicht in seinem Geburtsort Mansfeld in der Prignitz befunden hat, sondern in Sellin in der Neumark, wohin sein Vater bald nach der Geburt des Sohnes versetzt worden war.

In dem „Gartengeschichten“ überschriebenen zweiten Teil des Buches werden zehn ausgewählte Pfarrgärten in Thüringen vorgestellt und liebevoll, von Fotos unterstützt, beschrieben. Anmerkungen und Literaturverzeichnis am Schluss geben einen Überblick über die relativ spärlichen Publikationen zum Thema „Pfarrgärten“. Insgesamt ist ein interessantes und lesenswertes Büchlein zustande gekommen, und man kann nur wünschen und hoffen, dass es dazu beiträgt, den Pfarrgärten auch in anderen Teilen Deutschlands einmal näher nachzugehen.

Heinz-Dieter Krausch

Lässig, Christine, Michel, Jürgen : Dem großen Gärtner auf der Spur. Von Pfarrgärten im Allgemeinen und denen aus Thüringen im Besonderen. Weimar : Wartburg, 2004. - 120 S. -Ill.- ISBN 3-86160-159-1.