Doblhammer, Rupert; Drexel, Anita: Gehölze und Wege in formalen historischen Gartenanlagen Österreichs (Frankfurt am Main 2005)

Langsam, aber sicher beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Gartendenkmalpflege mit kunsthistorischen oder soziologischen Analysen allein nicht geholfen ist. Sie benötigt vielmehr Grundlagenforschungen auf den Gebieten der Technik-, Pflanzen- und Handwerksgeschichte. Was in einem historischen Garten gewollt war (z.B. eine bestimmte Baumform oder Wegefarbe) wird für die Denkmalpflege erst wirklich greifbar, wenn bekannt ist, wie es gemacht wurde.

Baumschnitt und Wegebau sind zwei Gebiete, auf denen sich der bislang desolate Forschungsstand augenfällig bemerkbar machte. Nur wenige Kollegen nahmen Schnittspuren an alten Bäumen überhaupt wahr, und fast niemand erkannte Unterschiede dabei. Inzwischen gibt es hierzu gute Forschungsergebnisse aus Berlin, Hannover und Wien. Bereits erschienen ist die hervorragende Dissertation von Barbara Grau über historischen Wasser- und Wegebau (Berlin 2002). Noch vor dem Hannoveraner Projekt ist nun die Wiener Untersuchung erschienen.

Die Forschungsmethode der Autoren kann als selektive Inventarisierung umschrieben werden. In 25 exemplarischen Anlagen Österreichs wurden erhaltene formale Gehölzbestände und Wege erfasst und systematisch untersucht. Ergänzend bemühte man sich um archivalische und mündliche Aussagen zur Geschichte dieser Elemente. Bei der Auswertung wurde auch historische Literatur herangezogen.

Für Gehölzbestände und Wege getrennt, werden jeweils zunächst in einem Überblick verschiedene Typen herausgearbeitet. Die untersuchten Gärten werden kurz mit Geschichte und Planskizzen vorgestellt (1/2 Seite pro Anlage). Dann folgt im Hauptteil die Vorstellung der erfassten Bestände in Wort, Zeichnungen und Fotos (pro Objekt 2 oder 4 Seiten). Zum Schluss werden Empfehlungen zur heutigen Vorgehensweise gegeben (8 Seiten).

Ob die Auswahl der Beispiele immer zweckmäßig war, mag bezweifelt werden. Offenbar im Bemühen um eine große Bandbreite wurden auch Sonderfälle ausgewählt, etwa eine Magnolienallee, eine Allee aus Taxus-Formbäumchen, ein Heckentheater von 1923, ein Pflasterweg und eine Treppenanlage. Da diese Anlagen Einzelfälle in der Untersuchung bleiben, können daraus keinerlei allgemeingültigen Schlüsse gezogen werden. Nützlicher wäre es vermutlich gewesen, die Zahl ähnlicher Anlagen, beispielsweise barocker Lindenalleen, zu erhöhen, um mehr Aussagen zu gewinnen, die verallgemeinert werden können.

Die Schlussfolgerungen der Autoren überzeugen nicht immer. Die gewonnene „Systematik der Kronenformen des formalen Gartens“, die von den Angaben des deutschen „Alleenpapiers“ abweicht, erscheint durchaus sachgerecht. Es werden Kronen mit und ohne Leittrieb unterschieden, die ersteren in Kronen mit und ohne Formschnitt, die letzteren in Zwiesel (zweiarmig) und Kandelaber (mehrarmig) und weiter nach Höhe des Kronenansatzes. Die „Systematik der Wegebauwerke“ hingegen scheint von zu vielen Zufallsfaktoren der untersuchten Objekte abzuhängen und ist in seiner unübersichtlichen Verästelung wenig erhellend. Ursprüngliche Bauweise, Entstehungsperiode, Benutzungsgrad und Überformungsgrad sind so unterschiedliche Faktoren, dass man ihnen in einer einzigen Systematik schwer gerecht werden kann. Zur Systematisierung hätte wohl die ursprüngliche Fassung des Wegeaufbaus ausgereicht.

Zu Recht wird das Verhältnis von „Gartentheorie und Wirklichkeit“ angesprochen. Die lokale Praxis weicht häufig von der Theorie in Büchern, die meist aus ganz anderen Gegenden stammen, ab, wie die Autoren richtig bemerken. Gerne wüsste man, wie es nun wirklich mit den Baumabständen in Alleen und der Höhe des Kronenansatzes gehandhabt wurde, da die barocke Literatur Angaben macht, die heute an österreichischen Beispielen nicht zu belegen sind. Allerdings muss davor gewarnt werden, aus den letztlich nur wenigen untersuchten Beispielen und der ebenfalls nur beispielhaft ausgewerteten historischen Fachliteratur leichthin Allgemeinschlüsse abzuleiten. Wenn die Autoren (S. 250) schreiben „Alleebäume mit Kesselkronen wurden gerne in kirchlichen Anlagen hergestellt,“ was sie mit einer Bibelstelle begründen, während in weltlichen Anlagen solche Kronen als unschön gegolten hätten, so ist diese anhand dreier Beispiele aus Melk, Heiligenkreuz und St. Pölten aufgestellte These sicher noch einmal kritisch zu prüfen. Solange nicht mehr Anlagen, auch international, untersucht und verglichen sind, wird weiterhin offen bleiben müssen, als wie repräsentativ die Befunde in Österreich und die Angaben in der Literatur gelten können.

In den Empfehlungen wird zu Recht darauf gedrungen, „Gehölzpflegekonzepte (GPK)“ zum Standard zu erheben, damit die wertvolle Substanz der historischen Gehölze optimal für die Nachwelt erfasst und möglichst lange erhalten werden kann. Ebenso sollen Wege behandelt werden. Ihre Untersuchung soll Angaben über Herstellung, Überformungsgeschichte und Unterhaltung enthalten. Ob eine neuerliche Überarbeitung des Weges unter Erhaltung der Substanz, mit historischem oder modernen Material zu erfolgen hat, wird offen gelassen, da es vom Einzelfall abhängt.

Die Ausstattung des recht teuren Buches kann bestenfalls als zweckmäßig bezeichnet werden. Einige Druckfehler (Erscheinungsjahr von Pücklers Andeutungen mal 1819, mal 1854 statt 1834, Bismark statt Bismarck, Heike Palme statt Palm, Gerd statt Goerd Peschken usw.), hätten vermieden werden können.

Dass das vorliegenden Buches dennoch von bleibendem Wert ist, liegt daran, dass es zeigt, welche Variationsspektren es bei historischen Gehölzbeständen und Wegen gibt, dass es den Sinn für das Problem schärft, zu einer exakten Dokumentation dieser Bestände aufruft und dass es eine optimale Anleitung zu einer solchen Dokumentation liefert.

Clemens Alexander Wimmer

Doblhammer, Rupert; Drexel, Anita: Gehölze und Wege in formalen historischen Gartenanlagen Österreichs : eine Dokumentation zur Erschließung noch bestehender gartenkünstlerischer Strukturen in Österreichs formalen Gärten. Frankfurt am Main [u.a.] : Lang, 2005. - 313 S. : Ill. - ISBN: 3-631-51287-2. - Euro 51,50