Conan, Michel (ed.): Contemporary garden aesthetics, creations and interpretations. Washington 2007

Bei der täglichen Befassung mit der Geschichte der Gartentheorie muss es denkenden Menschen wie Michel Conan auffallen, dass zeitgenössische Aussagen zur Gartentheorie eher selten sind. Dies war wohl der Ausgangspunkt für die Tagung, deren Beiträge hier versammelt sind.

Conan setzt voraus, dass es Gartenkunst gibt und dass es eine Kunst ist, die nicht in Museen präsentiert werden kann, sondern nur im Garten selbst. Den möglichen Vorwurf, dass Gärten wie Comics und Innendekoration Konsumprodukte, aber nicht Kunstwerke seien, entkräftet Conan vorab, ohne weiter auf ihn einzugehen. Allein die Tatsache, dass Gärten nach wie vor Erfahrungen bieten, die von ihren Gestaltern oder Konsumenten gesucht werden und Aufschluss über das Verhältnis von Natur und Gesellschaft geben, rechtfertige eine ästhetische Betrachtung.

Die offenen Fragen lauten nach Conan: „Was ist ein Garten; was ist eine ästhetische Gartenerfahrung; worin bestehen die zeitgenössischen Umbrüche, die zur Anlage von Gärten oder zur Anwendung gartenkünstlerischer Prinzipen an Stätten, die dadurch zu neuen Gartentypen werden, führen; welches sind die neuen Erfahrungen, zu denen zeitgenössische Gestaltung führt; in welchem Ausmaß werden solche Erfahrungen zu ästhetischen Erfahrungen?“ (S. 5) Um diesen Fragestellungen näher zu kommen, lud Conan im Jahre 2005 verschiedene Autoren nach Washington ein, die Beziehungen zwischen Konzeption und Wahrnehmung an jeweils einem konkreten Fallbeispielen zu behandeln. In seiner anspruchsvollen Einführung versucht er, die von den Referenten geäußerten Gedanken in die ästhetische Theorie einzuordnen.

Wie in früheren Arbeiten legt Conan besonderen Wert auf die Rezeption des Kunstwerks, sowohl durch die Rezipienten als auch durch den Künstler selbst. Er beruft sich dabei auf John Dewey, welcher 1980 schrieb: „Ohne einen Akt der Nachschöpfung kann ein Gegenstand nicht als Kunstwerk erfahren werden. Der Künstler selektiert, vereinfacht, klärt, kürzt und verdichtet je nach seinem Interesse. Der Rezipient muss diese Vorgänge entsprechend seinen Gesichtspunkten und Interessen nachvollziehen. Bei beiden findet ein Akt der Abstraktion statt, das heißt eine Auswahl von bedeutenden Aspekten. Bei beiden ist es ein Verstehen in wörtlichem Sinne, ein Sammeln von Details und Eigenschaften, die physisch verstreut sind, zu einem wahrgenommenen Ganzen. Dieser Vorgang geschieht auf Seiten des Rezipienten ebenso wie auf Seiten des Künstlers.“

Behandelt werden folgende Anlagen (in Klammern die Namen des Referenten):

Die Gärten einer Wohnanlage in Montreal von Claude Cormier (Susan Harrington)

Ein 1955 von Mirei Shigemori angelegter Privatgarten in Hiroshima (Christian Tschumi)

Die öffentlichen Anlagen einer indischen Handwerkersiedlung von Mohammed Shaheer und ihre Wahrnehmung durch Bewohner und Besucher (Priyaleen Singh)

Die Gartenprojekte von Dieter Kienast (Udo Weilacher)

Der Garten einer Firma in Boulogne-Billancourt von Bernard Lassus (Michel Conan)

Die Küstenregion in Jacarepaguà, Brasilien, von Fernando Chacel (Peter Jacobs)

Ein öffentlicher Park in Salt Lake City von Patricia Johanson (Xin Wu)

Der Kosmische Garten in Portrack, Schottland, den Charles Jencks für seine Familie angelegt hat (Michael Spens)

Andy Goldworthys Gärten der Steine am Jüdischen Museum in New York (Jacky Bowring)

Die Aussichtsplattform von Paolo Bürgi auf dem Cardada (Massimo Venturi Ferriolo. Dieser Berg befindet sich in den Schweizer Alpen, nicht im Apennin, wie Conan schreibt.)

Das Werk von Gilles Clément (Jacques Leenhardt)

Ein Land-Art-Projekt bei Digne-les-Bains in den französischen Alpen von Andy Goldsworthy und Hermann de Vries (Stephen Bann)

Die Beiträge sind farbig illustriert mit Ausnahme des Beitrags von Leenhardt, der keine Abbildungen enthält.

All diese so unterschiedlichen Anlagen vermeiden, so Conan, didaktische Vorgaben und ermöglichen den Nutzern eigene, ungewöhnliche Erfahrungen. Gärten leisten ihm zufolge nicht der virtuellen Globalisierung Vorschub, sondern betonen meist das Lokale, körperlich erfahrbare Element an einem konkreten, nicht austauschbaren Ort mit einer konkreten Geschichte.

Die zentrale Frage, ob es eine neue Gartenästhetik gibt oder ob es sich nur um eine Übernahme der historischen Kategorien des Schönen, Erhabenen, Pittoresken und Gardenesken handelt, kann auch von Conan nicht abschließend beantwortet werden.

Conan stellt für die Weiterarbeit fünf Thesen auf:

1. Es kommt auf den Erfahrungshorizont des Rezipienten an

2. Gartenerfahrung erfolgt nicht plötzlich, sondern ist ein Prozess

3. Körperlicher Einsatz des Rezipienten und Widerstand des Gartens gegen seine Erwartungen sind wesentliche Punkte dieses Prozesses

4. Zwischen täglicher Lebenserfahrung und ästhetischer Gartenerfahrung besteht eine dialektische Benziehung

5. Gartenerfahrungen tragen durch Interaktion der Rezipienten zu kulturellen Umschwüngen bei

Conan schließt mit dem Satz: „Gartenkunst entwickelt sich auf ihre eigene Weise, unabhängig vom institutionellen Kunstbetrieb, und sie trägt zu einer Erneuerung der Bedeutung unseres Seins in der Welt bei.“ Dies sollte jeden mit Gärten befassten Menschen aufmuntern.

Clemens Alexander Wimmer

Conan, Michel (ed.): Contemporary garden aesthetics, creations and interpretations. - Washington, D.C. : Dumbarton Oaks Research Library and Collection, 2007. - 265 S. (Dumbarton Oaks Colloquium on the History of Landscape Architecture ; 29). - ISBN: 0-88402-325-7