Conan, Michel (ed.): Baroque Garden Cultures : Emulation, Sublimation, Subversion (Washington 2005)

Im Mai 2001 fand in Dumbarton Oaks eine wichtige Tagung über Barockgärten statt, die nun mit reichlicher Verspätung, aber in sehr anspruchsvoller und umfangreicher Form, publiziert wurde. Die Tagung hieß „Social Reception of Baroque Gardens.“ Dieser Titel machte das Anliegen Conans deutlicher als der nunmehrige Buchtitel.

Hervorragende Fachleute aus Deutschland, Holland, Italien, Schweden und den USA haben Beiträge aus unterschiedlicher Sicht beigesteuert. Die Denkmalpflege, welche die meisten deutschen Tagungen dominiert, ist ausgeklammert, es geht um rein theoretische Gartengeschichte. Der Initiator und Herausgeber Michel Conan stellt den Anspruch, einen neuen Weg der Gartengeschichte einzuschlagen, indem er die soziale Rezeption des Barockgartens, vor allem durch damalige Zeitgenossen, untersucht. Die Gartengeschichte soll damit auf neue Grundlagen gestellt werden.

In seiner 36 Seiten umfassenden Einleitung behandelt Conan zunächst den Begriff Barock in der Kunst- und Geistesgeschichte. Seiner Meinung nach wurde er bislang wenig auf die Gartenkunst angewandt. Erst Sten Karling habe 1972 in Dumbarton Oaks Barockgärten als solche behandelt. Conan übersieht, dass bereits 1907 Joseph August Lux in seinem Büchlein Schöne Gartenkunst von „barocken Gärten“ sprach, wie auch in der Encyclopedia of Gardens (Chicago 2001) erwähnt wurde. Deutsche Literatur wird bis auf wenige Ausnahmen, die in Übersetzung vorliegen (z.B. „Henri Wölfflin“), nicht verwendet.

Conans offenbar erst nach der Tagung ausgearbeitete These ist, dass 1) Gärten weniger als Leistungen eines Genies denn als durch konkurrierendes Nacheifern (emulation) entstehen, 2) die ursprünglich intendierte Bedeutung der Gärten in verschiedener Weise sublimiert (sublimation) und 3) durch unkontrolliertes Handeln anderer sogar zersetzt werden kann (subversion). Hiervon sind die zweite und dritte laut Conan neu.

Als verwandte Methoden, die aber für die Zwecke der Gartengeschichte modifiziert werden müssen, werden die Umweltpsychologie anhand amerikanischer Autoren sowie die Literaturrezeption nach der Konstanzer Schule der Ästhetik vorgestellt. Die Beweise für Conans Thesen sollen durch internationale Betrachtungen barocker Gärten gewonnen werden. Im weiteren Verlauf der Einleitung legt Conan die Beiträge seiner Autoren als Belege für seine Thesen aus. Er ordnet die Beiträge – etwas mühsam - in die Abschnitte 1. European Networks, from Emulation to sublimation, 2. Emulating the politics of garden display, 3. Sublimation and subversion of baroque garden politics ein.

In den ersten Abschnitt ist Erik de Jongs Aufsatz gestellt, der den gartenkünstlerischen Austausch der nordeuropäischen Länder von 1648 bis 1725 behandelt. Hierbei wird auf ein Netzwerk von Gartenbesuchen, Kupferstichvertrieb, Handelsbeziehungen und Spezialistenaustausch verwiesen und auf die Bemühung der Autokraten, durch Auswahl und Neukombination von Gartenelementen individuelle, nationale Lösungen zu finden. Wirklich nationale Gartenstile gäbe es nicht.

Lucia Tongiorgi Tomasi behandelt das Netzwerkthema in Bezug auf die Wissenschaft der Botanik, indem die botanischen Gärten, obgleich weniger zahlreich und anders gestaltet, eine ähnlich repräsentative Rolle für die Staaten spielten wie die Lustgärten. Vergleichbar waren die botanischen Sammlungen auch den fürstlichen Kunst- und Wunderkammern, doch standen sie allen Wissenschaftlern offen, die dadurch imstande waren, eine internationale „République des Gens de Sciences“ zu bilden. Die Rolle der Gärten sei dabei eine andere gewesen als bei den Lustgärten, da der Entwurf der Wissenschaft untergeordnet gewesen sei. (Allerdings sollte man die starke Rolle der Ästhetik in den damaligen botanischen Gärten nicht übersehen). Für Conan sind diese Gärten „Ergebnis einer Sublimierung barocker Kultur.“ (S. 21)

Tracy Ehrlich untersucht im zweiten Abschnitt den Wettbewerb der Adelsfamilien in Rom und Frascati, der sich in ihren Gärten ausdrückte. Hier zeigten sich die gleichen Erscheinungen des Eklektizismus, die de Jong für einen späteren Zeitpunkt in Nordeuropa feststellte. Die Autorin, die über Scipio Borgheses Villa Mondragone promoviert wurde, vergleicht deren unterschiedlichen Rezeptionen durch von der Familie Borghese abhängige Bauherrn, und durch andere, von ihnen unabhängige Familien sowie durch spätere Autoren, die die ursprüngliche politische Intention der Anlagen nicht mehr kannten.

Magnus Olauson berichtet über schwedische Barockgärten bis 1714 und stellt dort ebenfalls ein eklektisches Prinzip der Anleihen aus dem Ausland fest, angepasst an örtliche Traditionen und Klimaverhältnisse. Der Wettbewerb der Aristokraten wurde hier auf einen Wettbewerb unter den von ihnen beauftragten Künstlern ausgedehnt.

Roland Puppe schildert die Gärten Augusts des Starken und ihre politische Aufgabe, wobei Conan wiederum einen eklektischen Prozess sieht. Besonders interessiert ihn, dass August einen Teil der Gärten dem städtischen Publikum öffnete und dass Feste dazu dienten, Bürger, Bauern und Adlige botmäßig zu erhalten. Conan sieht sich hierdurch zu der Bemerkung veranlasst, dass der unterjochte polnische Adel, indem er die Gärten des Königs bewunderte und nachahmte, ignorierte, dass es Instrumente ihrer Unterjochung waren. Dies bezeichnet er als Subversion.

In den dritten Abschnitt sind folgende Beiträge eingeordnet.

Margherita Azzi Visentini beschreibt die wechselnde Wahrnehmung der Borromäischen Inseln im Lauf der Zeit. Während bis Mitte des 18. Jahrhunderts die barocke Isola Bella im Mittelpunkt der Bewunderung stand, galt sie danach in der Zeit des Landschaftsgartens als Negativbeispiel, während die eher malerische Isola Madre und die Alpenkulisse im Mittelpunkt der Bewunderung standen. Von Mitte des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. dann wurde die „Stimmung“ der nun rehabilitierten Isola Bella hervorgehoben. Dieses Datum ist allerdings um rund 50 Jahre zu spät angesetzt, wenn man an Jean Pauls Roman „Titan“ und Karl Friedrich Schinkels Isola-Bella-Gemälde denkt (Wimmer, Schinkels Embarquement : Gedanken zu einem Gemälde im Schinkelpavillon. In: Preußen : Die Kunst und das Individuum. Berlin 2003, S. 163-172). Zutreffend ist die Folgerung, dass hier die Diskrepanz zwischen historischem Wissen und ästhetischer Wahrnehmung besonders deutlich wird. Die dynastischen Strategien und Anspielungen, in diesem Fall Darstellung der Familie Borromeo (emulation) und einer glücklichen Heirat (sublimation), obwohl auch in Stein gehauen, interessierten die meisten Rezipienten nicht. (Schinkel hätte hier als eine Ausnahme genannt werden können, denn er stellte die Insel als Liebesinsel dar.)

Wegen der ähnlichen politischen Funktion des kaiserlichen Gartens in Kaifeng hat Conan einen Beitrag von Stephen H. West über diese Anlage aus dem 12. Jahrhundert aufgenommen (comparer l’incomparable). Conan betont, damit der chinesischen Gartengeschichte neue Wege gewiesen zu haben. Während die meisten Quellen die chinesischen Kaisergärten nur als Selbstdarstellungen des Hofes beschreiben, präsentiert West auch einen Text des 12. Jahrhunderts, der aus Sicht der Stadtbevölkerung geschrieben ist. Während der Hof in der zeitweisen rituellen Öffnung der Gärten eine Tugend sah, die zur Harmonie von Himmel und Erde beitrug, sah das Volk darin vom Herrscher gespendete Sinnesfreuden. Conan sieht hierin wiederum ein Beispiel für Subversion.

Ähnliche Untersuchungen, so Conan, könnten nun beispielhaft anhand derjenigen Pariser Königsgärten angestellt werden, die im 17. Jahrhundert dem Publikum geöffnet wurden, und es würden sich weitere Fälle von Subversion herausstellen. Conan behandelt jedoch im nächsten, von ihm selbst stammenden Beitrag ein anderes Beispiel für Subversion. Die französischen Adelsgärten ahmten die des Sonnenkönigs nach, verwirklichten darin aber eine andere Idee, die einer kultivierten Freundschaft, die nicht so sehr auf sozialem Rang beruhte. Unter dem Deckmantel der Ehrerbietung gegenüber dem König, so Conan, entstand eine unabhängige Gegenkultur.

Als letztes Beispiel in dieser Gruppe dient Castle Howard, das hier nicht mit Horace Walpole und anderen als früher Ort eines Landschaftsgartens, sondern als barocke Residenz des Bauherrn Carlisle dargestellt wird, von dessen Unterstützung der König abhing und der seine eigene Macht zum Ausdruck bringen wollte. Die Übernahme barocker Formen aus Frankreich diente hier einem ganz anderem Zweck als dort, nämlich die starke Rolle des Parlaments und des Landadels zu betonen. Der Autor Lance Neckar präsentiert vier zeitgenössische Besucher, deren politischer Standpunkt ihr ästhetisches Urteil beeinflusste.

Conan resümiert, dass es diverse europäische Gartenkulturen gab und nicht nur eine. Er vermutet aber, emulation und subversion überall wieder zu finden. Er empfiehlt der Gartengeschichte, sich fortan mit der sozialen Rezeption von Gärten zu befassen statt wie bisher nur mit der Substanz, den Bildquellen und Beschreibungen. Die Analyse solcher Quellen hätte zu beginnen mit dem Erwartungshorizont des Rezipienten, seiner sozialen Stellung und seinen Zielen. Selbst bei gleichem Material würde diese neue Methode neue Ergebnisse erbringen. Conan verspricht sich von einer Höherbewertung der Einflüsse anderer Gärten auch eine Relativierung der Bedeutung der künstlerischen Individualität beim einzelnen Gartenentwurf.

Die einzelnen, detailliert und mit vielen Fußnoten ausgearbeiteten Artikel zu besprechen, würde den hiesigen Rahmen sprengen. Conans in der Einleitung betonten Gedanken finden sich bei den anderen Autoren des Buches nicht in dieser Deutlichkeit. Seine magischen drei Wörter, die den Titel des Bandes und seine Einleitung beherrschen, kommen bei ihnen gar nicht vor, gehört doch keiner der Autoren der Profession Conans, nämlich der Soziologie, an. Die Beiträge, die teilweise neue Forschungen enthalten, stellen in jedem Fall interessante Beiträge zur Gartengeschichte dar.

Auch wenn Conans Theorien von Sublimation und Subversion nur schwer gefolgt werden kann, ist seine grundsätzliche Forderung, den traditionellen Aspekten der Gartengeschichtsschreibung grundsätzlich die Rezeptionsgeschichte hinzuzufügen, sehr beachtenswert. Sie enthält in der Tat das Potential, die Gartengeschichte und selbst die Gartendenkmalpflege zu verwandeln.

Clemens Alexander Wimmer

Conan, Michel (ed.): Baroque Garden Cultures : Emulation, Sublimation, Subversion. Washington : Dumbarton Oaks Research Library and Collection, 2005. – 433 S. : Ill. – ISBN 0-88402-304-4