Conan, Michel: Dumbarton Oaks Colloquium on the History of Landscape Architecture : Gardens and imagination : cultural history and agency (Washington D.C. 2008)

Gärten symbolisieren nicht einfach nur das Paradies oder reizen einfach nur die Sinne, sondern sprechen je nach kulturellem Zusammenhang verschiedene Vorstellungen an, welche sich wandeln und hier Gegenstand der Forschung sind. Zehn Beiträge von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen und Nationen wurden vom Herausgeber systematisch in vier Abschnitte eingeordnet:

Teil 1 zeigt, wie Gartenvorstellungen von kulturellen Aspekten und Prozessen abhängen. Maria Eva Subtelny untersucht die Rolle des imaginären Gartens in der esoterischen Dichtung der persischen Sufi-Mystik im 13. Jh. Stephen West behandelt den Wechsel der Gartenvorstellungen in den chinesischen Literaturgärten des 11.- 15.Jhs. Tal Alon Mozes zeigt, wie in Israel Gedenkstätten in Wäldern und Gärten konzipiert wurden.

Teil 2 legt dar, wie kulturelle und soziale Kräfte die Entstehung bestimmter Gartenvorstellungen prägen. Walter Andrews weist auf gemeinsame Gartenvorstellungen hin, die im 16. Jh. die osmanischen Gärten aller Schichten vom Sultan bis zum Gärtner prägten. Kathleen Christian zeigt, wie im Rom der Renaissance Kurienmitglieder Bildhauer und Schriftsteller mit der Antikenrezeption in den päpstlichen Gärten beauftragten, um die Individualität Roms gegenüber anderen Städten hervorzukehren. Die Skulpturensammlungen in Gärten antworteten auf die Furcht vor Vergänglichkeit bis zum Sack of Rome. Sylvie Brousseau schreibt über Wahrnehmung und Darstellung der Meisho-Plätze in der japanischen Landschafts- und Gartenvorstellung., Die Besuche solcher Plätze wurden im Lauf der Jahrhunderte ritualisiert. Die Gartengestaltung stand hier in Dienst der Dichtung über diese Plätze.

Teil 3 behandelt die Entstehung von Gartenvorstellungen aufgrund von Literatur. Ekaterina Dmitrieva schreibt über russische Landgutliteratur 1761-1918, in der auch das Anlegen von Gärten eine Rolle spielt. Die Literatur prägte so die Wahrnehmung und Nutzung der Gärten. Richard Strassberg berichtet über die Rolle des Gartens in der chinesischen Dichtung (Drama und Novelle). Es wurden auch reale Gärten in Anspielung auf berühmte literarische Gärten angelegt. Noch heute gibt es theatralische Darstellungen traditioneller Gartenfiktionen.

Teil 4 enthält Analysen der Entstehung individueller Gartenvorstellungen. Xinong Xu analysiert Texte von Wang Shizhen über verschiedene Gärten. Maryrica Ortiz Lottmann bespricht Gartenvorstellungen in drei spanischen Barockdramen von Molina, Calderón und Cervantes.

Statt den Entwurf, die Verbindungen zwischen den Absichten der Entwurfsverfasser und Auftraggeber und den kulturellen Wandel der weiteren Umgebung zu thematisieren, sollte nach Conan die Gartenrezeptionsforschung eher das Ineinandergreifen von Entwurf und ritualisierten oder gewohnheitsmäßigen Handlungen untersuchen und wie dieses Ineinandergreifen mit dem kulturellen Wandel korrespondiert (S. 11). Hierbei gilt es folgende Fragen zu klären:

1) Wer entwickelt Gartenvorstellungen?

2) Welcher Gartentyp ist / welche Gartentypen sind gemeint?

3) Welche Beziehung besteht zwischen Gartentätigkeiten und Gartenvorstellungen?

Gartenvorstellungen resultieren aus einem Netz bestimmter kultureller Aktivitäten. Nicht ikonographisches Lesen von Gartenzeichen soll die zentrale Methode der Gartengeschichtsschreibung sein. Renaissance- und Barockgärten etwa sollen nicht durch Konsultation von Emblembüchern gedeutet werden, sondern durch Studium des Netzes kultureller Themen, auf das sich der jeweilige Garten und seine Embleme in ihrer Zeit beziehen konnten. Die Zeichen stehen nicht wie in den Emblembüchern für eine bestimmte Bedeutung, sondern laden die Vorstellung des Betrachters zu einer Vielzahl möglicher, ja selbst widersprüchlichen Bedeutungen auf verschiedenen Gebieten ein. Gartengeschichte sollte, so Conan, als Wechselwirkung zwischen den materiellen Hervorbringungen der Gartengestaltung und der praktischen und emotionalen Rezeption der Gärten gesehen werden, als eine Art Koevolution.

Es ist sehr bedauerlich, dass die Reihe der von Conan initiierten stets anregenden und hochinteressanten Tagungen mit diesem Band endet.

Clemens Alexander Wimmer

Conan, Michel: Dumbarton Oaks Colloquium on the History of Landscape Architecture <30, 2006, Washington, DC> : Gardens and imagination : cultural history and agency. - Washington, D.C. : Dumbarton Oaks Research Library and Collection, 2008. - 259 S.: Ill.