Bischoff, Cordula und Anne Hennings (Hrsg.): Goldner Drache. Weißer Adler. Kunst im Dienste der Macht am Kaiserhof von China und am sächsisch-polnischen Hof (1644-1795) (München 2008)

Wie lange wird es dauern, bis sich nur noch wenige daran erinnern, dass letztes Jahr die Olympiade in China war? Im Schweif ähnlicher, verhältnismäßig schnell in Vergessenheit geratenden Großereignisses wurden jedoch auch Veranstaltungen angesiedelt, die im weitesten Sinne als politisch motiviertes, kulturelles „Beiprogramm“ zu verstehen sind und – zumindest in interessierten Kreisen - teilweise eine deutlich längere „Halbwertzeit“ haben. Dazu muss man auch die Ausstellung „Goldner Drache – Weißer Adler“ der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zählen, zu der ein umfangreicher Katalog von Cordula Bischoff und Anne Hennings herausgegeben wurde. Da sich aus dem aufgezeigten Spannungsfeld für die Gartengeschichte immer wieder Berührungspunkte und Impulse gewinnen lassen, angefangen von den Pflanzenimporten der Jesuiten bis hin zur Pagode in Salzdahlum, den „Jardins anglo-chinois“ von Le Rouge und dem ominösen Sharadwagi, soll hier eine Besprechung folgen.

Dieser überrascht zunächst mit einem neuartigen Konzept: Einem Handbuch gleich werden verschiedene, wichtige Begrifflichkeiten in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt und aus der Perspektive Sachsens und Chinas behandelt. Pro Eintrag folgen dabei einem Essay mit Literaturhinweisen meist einige themenbezogene Kunstwerke. Zu den Stichworten gehören etwa Astronomie, Landschaftsmalerei, Garten, Elfenbein, Fest, Eunuchen, Hofkünstler, Mobiliar, Spiele usw. In der Ausstellung war die Gegenüberstellung augenscheinlich umgesetzt und fand allgemeines Lob. Das davon bleibende Buch, das nicht mit räumlicher Konfrontation und daraus resultierender, interaktiver Assoziation operieren kann, hält dem Anspruch nicht Stand, zumal sein Aufbau nicht die notwendige Stringenz aufweist und viele Stichworte ohne Äquivalenz bleiben: Bronze, Jesuiten, Castiglione oder Literatenmalerei werden nur bezüglich China behandelt, hingegen Insignien, Hofnarr, Landvermessung, Schatzkunst oder Sachsen nur für Sachsen/Polen. Warum dies so ist, wird weder erklärt noch deutlich.

Schon der Umschlag bietet reichlich Stoff für Verwunderung: Ist nicht der „Weiße Adler“ ein Orden, der nur vom König in (im Katalog immer fälschlich „von“) Polen verliehen wurde und stellt er nicht heute die höchste Auszeichnung Polens dar? Was mag denn also mit „Goldener Drache“ gemeint sein? Es gibt zwar tief verankerte und inhaltsschwere Verbindungen zwischen chinesischem Kaiser und Drachen, auch war Gelb bzw. Gold die kaiserliche Farbe, doch ein Blick im Internet offeriert unter dem Terminus nur China-Restaurants und esoterische Hilfestellungen. Dieser disparate Eindruck wird durch die zwei Damen auf dem Umschlag verstärkt, die wohl allein ihrer Schönheit und sicherlich nicht ihrer wirklichen Vergleichbarkeit wegen ausgewählt wurden: einerseits handelt es sich um eine von zahlreichen Hofdamen des Kaisers Yongzheng, der man im Kapitel „Interieur“ wieder begegnet, andererseits um die sächsische Kurprinzessin Maria Antonia. Sie taucht unter dem Stichwort „Fürstin“ wieder auf.

Beschäftigt man sich nun mit den einzelnen Beiträgen, so stellt man schnell fest, dass auch diese von zahlreichen Ungereimtheiten geprägt sind. So wirft der Blick in das eben genannte Kapitel „Fürstin“ (Sachsen) die ungelöste Frage auf, was das Porträt einer polnischen Grafentochter, die zwar in erster Ehe mit einem polnischen Fürsten vermählt war, im Bildnis jedoch als Gattin (2. Ehe) des Schweizer Barons de Besenval (Kat.-Nr. 75) dargestellt ist, hier zu suchen hat. Der Text erklärt es nicht. Und welche Bedeutung kommt dem chinesischen Stellschirm mit der Szene eines Palastgartens (Kat.-Nr. 115) im Kapitel Interieur (China) zu, der aus dem Dresdner Schloss stammt? Soll er etwa mittels des nur marginal angedeuteten Interieurs im Hintergrund einer höfischen Gartenszene einen Eindruck von der Innenraumkunst Chinas vermitteln?

Aber auch ganze Einträge werden durch die zugeordneten Kunstwerke unverständlich: So gehören zum Stichwort „China aus der Sicht Europas“ (nicht etwa: Sachsens) die Katalognummern 27 und 28: in ersterer werden vier Ausschnitte aus einer in China entstandenen Bildrolle mit Darstellung der tributpflichtigen Völker abgebildet und zeigen Figuren, die zum einen gerade eben nicht durch europäische Augen gesehen und gezeichnet wurden, und zum andern auch so nicht für europäische Rezipienten gedacht waren. Der bereits 2006 erschienene, hervorragende Katalog der Königlich dänischen Silberkammer zum Thema der Beziehungen Dänemarks und Chinas (Treasures from Imperial China. The Forbidden City and the Royal Danish Court, Kopenhagen 2006) zeigt Ausschnitte dieser Rollen denn auch konsequenterweise im Kapitel „The Chinese View of Europe“, und bildet Beispiele europäischer Völker ab, wie sie der chinesische Maler sah. Der dänische Katalog wird in der Bibliographie genannt. Genauso fragt man sich, was die Katalognummer 28 hier zu suchen hat, die eine – laut originalem Blatttitel - 1804 publizierte Grafik (im Katalogkopf fälschlicherweise 1805 angegeben) beschreibt, obwohl diese deutlich nach dem vom Katalog behandelten Zeitraum 1644-1795 entstand. Zwar wird im Text darauf verwiesen, dass das Blatt nach Zeichnungen des Briten William Alexander auf dessen Reise mit dem Briten George Macartney 1792/93 angefertigt wurde, veröffentlicht wurde es aber wie erwähnt erst zwölf Jahre später in John Barrows „Travels in China“. Im Essay zum Stichwort wird aber gar nicht auf diese Reise eingegangen und die einzige Verbindung zum Thema ergibt sich aus einem knappen Hinweis am Ende des Katalogtextes, dass die Grafiken von William Alexander bei der Ausmalung des 1804 erbauten Chinesischen Pavillons in Pillnitz als Vorlagen dienten. Den Verantwortlichen ist es also gelungen, einem der eigentlich zentralen Stichworte des Katalogs die denkbar dümmsten Werke zuzuordnen. Und dies, wo jedem, der nur halbwegs mit Dresden und seinen Kunstschätzen vertraut ist, allein beim Lesen des Stichwort-Essays zahlreiche aussagekräftige Gegenstände einfallen.

Während man den von chinesischen Wissenschaftlern geschriebenen und ins Deutsche übersetzten Essays den aufgrund unterschiedlicher kultureller Mentalitäten sehr erzählerisch und ausschmückend ausfallenden Charakter nachsieht, fallen die Banalisierungen einiger deutscher Autoren erschreckend auf: So muss sich der Leser, um nur ein Beispiel zu nennen, im sächsischen Kapitel Interieur die von Unkenntnis geradezu strotzende Plattitüde gefallen lassen: „So war ein Jagdschloss nicht einfach nur schlicht gehalten, sondern darüber hinaus […] in Grün gehalten oder mit Ledertapeten ausgestattet, während ein Lustschloss im chinesischen Stil Lackmöbel oder Porzellankabinette aufwies“ (S. 201). Demselben Stichwort finden sich dann als Katalogwerke  ein Paar silber-vergoldete Gueridons und ein ebensolcher Tisch (Kat.-Nr. 112-113) zugeordnet. Was man nicht lernt, ist, dass sie als Teile so genannter Triaden-Garnituren (Tisch, Spiegel und Gueridons) zum strengen Kanon barocker fürstlicher Einrichtung gehörten. Dafür liest man, dass sie als Silbermöbel das „Nonplusultra aller Ausstattungen“ waren – was durchaus korrekt ist – und aber dass „ihnen französische Marqueteriemöbel… bald den Rang streitig machten“ (S. 201). Hätte man beispielsweise den  herausragenden Katalog „Quand Versailles était meublé d’argent“ (2007) und nicht nur die eigenen Publikationen zur Kenntnis genommen, wäre es wohl nicht zu dieser Fehleinschätzung gekommen.

Gerade das Auslassen von Standardliteratur führt an einigen Punkten sogar zu unliebsamen Ehrabschneidungen, wie z.B. im Kapitel „Garten“ (Sachsen / Polen). Der Katalog zur sächsisch-polnischen Gartenkunst „... von denen schönen Gärten“ (1997) fehlt, ebenso wie Volker Helas „Großer Garten“ (2002). Aufsätze von Kolleginnen und Kollegen im Jahrbuch der Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen nimmt man nicht zur Kenntnis, dafür jedoch wohl den 1973 erschienenen Reprint von Georg Meisters „Orientalisch-indianischen Kunst- und Lust-Gärtner“, auf den zwar im Essay nicht eingegangen wird, sondern nur in dessen Literaturangaben aufgelistet ist. Schmerzlich vermisst man Hugo Kochs „Sächsische Gartenkunst“ (1910, Reprint 1999) oder Gerard Cioleks immer noch aktuelle „Gärten in Polen“ (1954/1978).

Entsprechend klischeehaft fällt dann auch der Essaytext aus: Man erfährt, dass „die Gartengestaltung des 17. und 18. Jahrhunderts... von französischen Vorbildern geprägt“ wurde (S. 136), danach trat ein „eher intimer und spielerischer Ausdruck in die Gartengestaltung, der nun.... zum locus amoenus für arkadische Phantasien und pastoralen Galanterien wurde.“ (ebd.) Da das Entstehen des landschaftlichen Gartens einsetzte, als Polen nicht mehr zu Sachsen gehörte (siehe Titel der Ausstellung), fällt der zweite Teil des Essays dünn aus. Konsequenterweise sollen drei Schäferszenen (Porzellanfigur, Tabatiere, Gemälde) und die elbseitige Ansicht des Holländischen Palais von 1727 den Beitrag zu illustrieren helfen, führen jedoch nur dazu, das Bild weiter zu verzerren. Da passt es dann auch gut, dass die „über 250 jährige alte Kamelie“ in Pillnitz (nachweislich um 1780/90 gepflanzt), die als Beispiel für das wachsende Interesse an exotischen Pflanzen angeführt wird, nicht aus China, sondern vom Botaniker Thunberg aus der Gegend von Kyoto mitgebracht worden war (Camellia japonica L., sic!).

Es ist müßig, hier die Reihe von Auszügen fortzusetzen und das Bild eines Panoptikums weiter auszumalen. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Publikation als Handbuch weitestgehend unbrauchbar ist.

Das Konzept ist nicht ausgereift, Themen werden oberflächlich-plakativ bis hin zu verfälschend-vereinfacht abgehandelt, und ausgediente Vorstellungen bedient. Wie kann es dazu kommen?

Wer die Dresdner Kunstsammlungen kennt, weiß, dass man dort am liebsten mit großen und klingenden Namen kooperiert: Getty, Prado, Eremitage stehen dieses Jahr auf dem Programm.  Dementsprechend hat man sich auch beim vorliegenden Projekt Partner geholt: das erfolgreichste europäische Architekturbüro in China, Gerkan, Marg und Partner, und - wenn auch nicht direkt die Siemens AG (China-Umsatz 2008 Euro 6,5 Mrd.) - so doch den ihr nahe stehenden „Ernst von Siemens Kulturfonds“. Es scheint, dass man sich in Dresden gerne an diesen „Global Players“ orientiert. Die Grenzen sind jedoch dann erreicht, wenn Überforderung und eine bedenkliche Nähe zur Selbstüberschätzung zum Verlust von Wahrhaftigkeit führen. Und genau das ist geschehen. Es ist fahrlässig zu denken, dass durch die aktuelle Öffnung Chinas und das in der Folge schnelle Ineinandergreifen der europäischen und der neuen chinesischen Wirtschaft ohne Umstände auch eine ebenso fruchtbare Kooperation auf kultureller Ebene erreicht werden kann. Im Gegenteil. Der Katalog legt die hermeneutischen Probleme umso klarer dar und zeigt, dass nur wissenschaftliche Sorgfalt und Langmut Ziel führend sein können. Indem er versucht, quasi „der chinesischen Seite eine Stimme zu geben“ und einen offenen Dialog zu ausgewählten Themen der Kultur- und Kunstgeschichte einzufangen, scheitert das Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten und Gegensätzlichkeiten sogleich an den beiderseitig mangelhaften Kenntnissen der jeweils anderen Kultur. Trotz großer Geste vermag auch dieses Buch es also nicht, der bereits mehrere Jahrhunderte alten und von Faszination geprägten, aber letztlich doch weitgehend ignoranten Missverständnissen unterworfenen China-Europa-Wahrnehmung eine sowohl sachliche als auch fachlich korrekte Basis entgegenzusetzen.

Es ist bedauerlich, dass durch den Mangel an Einsicht und qualitätsorientierter Beschränkung nun Schwächen offen zutage getreten sind, die nicht in jedem Fall den Beitragenden zur Last gelegt werden können, sie jedoch dennoch treffen. Am Ende drängt sich einem so der Verdacht auf, dass nicht nur der Leser, sondern auch die Autorinnen und Autoren Opfer eines lediglich politischen Kalküls geworden sind.

Marcus Köhler

Bischoff, Cordula und Anne Hennings (Hg.): Goldner Drache. Weißer Adler. Kunst im Dienste der Macht am Kaiserhof von China und am sächsisch-polnischen Hof (1644-1795), Ausstellung Staatliche Kunstsammlungen Dresden 11.10.2008-11.01.2009, München: Hirmer Verlag, 2008, ISBN 978-3-7774-4505-2