Herausgegeben vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf: Gartenkunst der frühen Moderne in Charlottenburg. Pläne und Fotos von Erwin Barth 1912-1926 (Berlin 2005)

Die Publikation im DIN-A4-Format ist eine Kostbarkeit. Auf 80 Seiten werden aus öffentlichen Einrichtungen und von Privatpersonen 81 frühe Farbfotografien und 85 Schwarz-Weiß-Fotos gezeigt, die die Entwicklung der öffentlichen Gartenanlagen der Stadt Charlottenburg seit der Kaiserzeit bis in die Weimarer Republik unter dem Einfluss ihres Gartendirektors Erwin Barth dokumentieren, der zwischen 1912 und 1926 fast alle Platz- und Parkanlagen sowie Promenaden an Straßen gärtnerisch umgestaltet bzw. geschaffen hat. Kurze gegliederte Texte unterfüttern sehr inhaltsreich das Thema und versetzen den Leser in die künstlerisch bewegte von anspruchsvollen sozialen und funktionalen Auffassungen geprägte Reformzeit.

Schon in der Einleitung wird durch die Umweltstadträtin Martina Schmiedhofer die Bedeutung der Erstpublikation eines Großteils der 78 im Barth-Nachlass vorhandenen Autochrome hervorgehoben und als faszinierender Fundus für die Geschichte des Berliner Stadtbildes bezeichnet.

Der Fotografiehistoriker Reinhard Schulz beleuchtet knapp die Entstehung und Entwicklung der Farbenfotografie bis zu Autochrom-Platten mit ihrer panchromatischen Emulsion (mit Klebstoff versehene Glasplatten, auf die grün, blau-violett und orangerot gefärbte Kartoffelstärke aufgestaubt, gepresst und mit einer Isolierschicht überzogen waren), die in Lyon von den Gebrüdern Lumière ab 1905 produziert wurden. Diese Emulsion musste mit mindestens einer Sekunde belichtet und konnte dann in der Umkehrentwicklung als Diapositiv betrachtet werden.

Der Gartenhistoriker Clemens Alexander Wimmer erläutert präzise und faktenreich Barths gartenkünstlerisches Werk in Charlottenburg im Spiegel seiner Fotos.

Er umreißt die Gestaltung des Stadtgrüns unter Ludwig Neßler von 1887 bis 1911, dessen stilisierte landschaftliche Gestaltung mit Koniferen und reichem Blumenschmuck in verspielten Formen nach 1900 stärker zu Kritik führte, weil in Nachbargemeinden modernere Gartenanlagen entstanden waren. 326.625 m² öffentliche Grünanlagen wurden damals mit Hilfe der 1910 am Fürstenbrunner Weg eingerichteten Stadtgärtnerei und einer Baumschule in Gatow betreut.

Erwin Barth, seit 1. Januar 1912 Gartendirektor der Stadt Charlottenburg, reformierte nach seiner Parisreise mit Berufskollegen im Juni 1912 mit den dort gewonnenen Erkenntnissen über leuchtende und gemischte Farben in der Blumenverwendung beharrlich die Wechselpflanzungen an Straßen und auf Plätzen in Charlottenburg, verbreiterte die Blumenrabatten und vergrößerte die Blumenbeete für klare Sortenpflanzungen und gemischte Pflanzungen mit der aus England unter Gertrude Jeckyll bekannt gewordenen Mischung mit Stauden und Sommerblumen vor Gehölzrändern und verwendete auch in Frankreich gesehene, mit Kletterrosen bewachsene Bögen in Rosengärten. Diese Neupflanzungen hielt Erwin Barth 1913 auf Autochrom-Platten fest, um sie in Farblichtbildervorträgen über Blumenverwendung wirkungsvoll vorzuführen. Einige Gegenüberstellungen von Entwürfen für Stadtplätze der Tief- und Hochbauverwaltung und denen von Barth verdeutlichen anschaulich die veränderten stilistischen und ästhetischen Maßstäbe. Besonders widmet sich Wimmer der Entstehung des Karolingerplatzes, der 1909 entworfen, 1910 teilweise ausgeführt und noch 1913 mit praktischerem Nutzen für die Allgemeinheit umgestaltet wurde. Bereits 1914 waren die zu betreuenden Grünanlagen Charlottenburgs um 28,7 % auf 420.240 m² Fläche angewachsen.

Nach Beginn des Krieges wurden 1914 die Rabattenbepflanzungen verringert, in großen Teilen mit Rasen eingesät und 1917 gänzlich aufgegeben. Seit 1916 lag der gärtnerische Schwerpunkt auf dem Kriegsgemüseanbau. Auch hierüber fertigte Barth Fotografien zur Dokumentation an. Erst in der Mitte der 1920er Jahre, als die kriegsbedingte Vernachlässigung der Grünanlagen überwunden war, erfolgte wieder ein Aufschwung in der Staudenbepflanzung. Es folgen eine Fülle von Schwarz-Weiß-Fotografien bis 1926, die die Anlage von neuen Plätzen und Parkanlagen zeigen, besonders der Lietzenseepark und Volkspark Jungfernheide sehr oft mit einem Gewimmel von sich darin erholenden und ihre Freizeit verbringenden Großstadtmenschen. In diesem Jahr wechselt Barth als Gartendirektor zur Hauptverwaltung Groß-Berlins in der Nachfolge von Albert Brodersen.

Ein Exkurs in die farbig illustrierten Werke der Gartenliteratur über kolorierte Kupfertafeldrucke und Lithografien, gedruckte Farblithografien für erlesene Nutzer, gedruckte farbige Gartenaquarelle und schwarz-weiß gedruckte Gartenfotografien, ersten Farbfotografien mit Pflanzen und Stilleben auf Autochrom-Platten, schließlich zu den sogenannte Dreifarbenautotypien, die ab 1907/1910 für einen breiteren Leserkreis verwendet werden konnten. Die 1911 erschienen Winterharten Blütenstauden von Karl Foerster enthalten Farbtafeln mit 78 Farbfotografien und die 1912 publizierte dritte Auflage Gartengestaltung der Neuzeit von Willy Lange zeigt 16 Farbaufnahmen aus Wannsee und Potsdam auf Lumière-Platten. Insofern schließt Erwin Barth mit seinen Farbaufnahmen unmittelbar an die Pioniere der frühen Farbenfotografie an.

Wimmer blendet auch Barths Reisen und Studienfahrten ein: 1924 nach Italien, die mit einigen Schwarz-Weiß-Fotos vermutlich von Georg Potente aus Potsdam-Sanssouci illustriert sind, 1925 nach Finnland, Estland, Belgien, Dänemark und Schweden, 1927 in die Schweiz, nach Italien, Frankreich und Spanien, 1928 nach Italien, Griechenland, Palästina, Ägypten, Tunesien, an den Niederrhein, nach Holland und England.

Erst nach 1931 erfolgten wieder Gartenveröffentlichungen mit farbigen Abbildungen. Nach 1937 wurde dann mit der Verbreitung des Farbdia-Kleinbildfilmes die farbige Fotografie einfacher und für eine breitere Nutzung zugänglicher.

Die Publikation ist eine hervorragende Ergänzung zu dem bei Koehler & Amelang 2005 erschienenen Buch von Dietmar Land und Jürgen Wenzel: Heimat, Natur und Weltstadt. Leben und Werk des Gartenarchitekten Erwin Barth.

Die im Katalog publizierten acht Farbabbildungen von französischen, englischen und deutschen Gartenbildern, die vier Farbabbildungen der kolorierten Barth-Pläne, die zwei Farbfotos der Modelle zu Platzentwürfen und besonders die 45 wundervollen, künstlerisch wertvollen farbigen Detail-Aufnahmen der städtischen Gartenanlagen auf Autochrom-Platten zwischen 1912 und 1914 sowie die Schwarz-Weiß-Fotografien zwischen 1913 und 1926, die größtenteils mit Barth-Zitaten versehen sind, jedoch einige Male ohne Jahreszahlen, vermitteln einen besonders lebensnahen Eindruck der prachtvollen und funktionellen Gartenanlagen der frühen Moderne in Charlottenburg.

Die Bezugsadresse ist das Kunstamt Charlottenburg, Kulturforum Villa Oppenheim, Schlossstraße 55, 14059 Berlin, Telefon 030 - 34304150, oder per Email beim umweltamt@ba-cw.verwalt-berlin.de; Preis 10,00 Euro.

Dr. Jörg Wacker

Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf: Gartenkunst der frühen Moderne in Charlottenburg. Pläne und Fotos von Erwin Barth 1912-1926. Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung zum 300jährigen Jubiläum Charlottenburgs im Schloss Charlottenburg, Kleine Orangerie, 10. Juni bis 3. Juli 2005 Herausgegeben vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Umweltamt; 80S., 81 Farb-, 85 s/w Abb.